In Catilinam IV 4. Catilinarische Rede, Übersetzung nach C.N.v.Osiander gehalten 5. Dez. 63 v.Chr. vor dem Senat (im Tempel des Iupiter Stator) | | M. TULLI CICERONIS IN L. CATILINAM ORATIO QUARTA HABITA IN SENATU | M. TULLIUS CICERO VIERTE REDE GEGEN L.CATILINA VOR DEM SENAT GEHALTEN | exordium | (4,1) Video, patres conscripti, in me omnium vestrum ora atque oculos esse conversos, video vos non solum de vestro ac rei publicae, verum etiam, si id depulsum sit, de meo periculo esse sollicitos. Est mihi iucunda in malis et grata in dolore vestra erga me voluntas, sed eam, per deos immortalis, deponite atque obliti salutis meae de vobis ac de vestris liberis cogitate! Mihi si haec condicio consulatus data est, ut omnis acerbitates, omnis dolores cruciatusque perferrem, feram non solum fortiter verum etiam libenter, dum modo meis laboribus vobis populoque Romano dignitas salusque pariatur. | 1. Ich sehe, versammelte Väter, dass auf mich euer aller Angesicht und Blick gerichtet ist. Ich sehe, dass ihr nicht allein um eure Gefahr und die der Republik, sondern auch, wenn diese abgewendet ist, um meine Gefahr bekümmert seid. Tröstend im Leiden und erquickend im Schmerz ist für mich eure Gesinnung gegen mich. Aber ich bitte euch bei den unsterblichen Göttern, nicht nachzugeben und, indem ihr mein Wohl vergesst, an euch und eure Kinder zu denken. Ist mir nun einmal in meinem Konsulat das Los beschieden, alles Bitternisse, alle Kränkungen und Widerwärtigkeiten erdulden zu müssen, so will ich diese nicht nur mutig, sondern auch gern ertragen, wenn nur durch meine Anstrengungen euer Ansehen und Wohl und das des römischen Volkes erzielt wird. | (4,2) Ego sum ille consul, patres conscripti, cui non forum, in quo omnis aequitas continetur, non campus consularibus auspiciis consecratus, non curia, summum auxilium omnium gentium, non domus, commune perfugium, non lectus ad quietem datus, non denique haec sedes honoris umquam vacua mortis periculo atque insidiis fuit. Ego multa tacui, multa pertuli, multa concessi, multa meo quodam dolore in vestro timore sanavi. Nunc si hunc exitum consulatus mei di immortales esse voluerunt, ut vos populumque Romanum ex caede miserrima, coniuges liberosque vestros virginesque Vestalis ex acerbissima vexatione, templa atque delubra, hanc pulcherrimam patriam omnium nostrum ex foedissima flamma, totam Italiam ex bello et vastitate eriperem, quaecumque mihi uni proponetur fortuna subeatur. Etenim si P. Lentulus suum nomen inductus a vatibus fatale ad perniciem rei publicae fore putavit, cur ego non laeter meum consulatum ad salutem populi Romani prope fatalem exstitisse? | Ich, versammelte Väter, bin der Konsul, für den nicht das Forum, auf dem alles Recht seinen Sitz hat, nicht das durch konsularische Auspizien geweihte Marsfeld, nicht die Kurie, die höchste Zuflucht aller Völker, nicht das Haus, der gemeinsame Hort der Sicherheit, nicht das zur Ruhe bestimmte Bett, ja sogar nicht dieser Ehrensitz, der kurulische Stuhl, jemals von Todesgefahr und Nachstellungen frei geblieben ist. Ich habe vieles verschwiegen, vieles ertragen, in vielem nachgegeben, vieles auf eine für mich ziemlich peinliche Weise trotz eurer Besorgnisse geheilt. Wenn nun die unsterblichen Götter meinem Konsulat den Ausgang verleihen wollten, dass ich euch, versammelte Väter, und das römische Volk von dem jammervollsten Blutvergießen, eure Gattinnen und Kinder und die vestalischen Jungfrauen von der empfindlichsten Misshandlung, die Tempel und Heiligtümer, diese unser aller herrliche Heimat von dem grässlichsten Brand, ganz Italien von Krieg und Bedrohung erretten sollte, so will ich mich jedem Geschick, das über mich verhängt werden mag, unterziehen. Denn wenn Publius Lentulus, von Wahrsagern verleitet, annahm, sein Namen sei für den Untergang des Staates vom Schicksal bestimmt, warum sollte ich mich nicht freuen, dass mein Konsulat zur Rettung des Staates vom Schicksal beinahe ausersehen wurde? | (4,3) Qua re, patres conscripti, consulite vobis, prospicite patriae, conservate vos, coniuges, liberos fortunasque vestras, populi Romani nomen salutemque defendite; mihi parcere ac de me cogitare desinite. Nam primum debeo sperare omnis deos, qui huic urbi praesident, pro eo mihi ac mereor relaturos esse gratiam; deinde, si quid obtigerit, aequo animo paratoque moriar. Nam neque turpis mors forti viro potest accidere neque immatura consulari nec misera sapienti. Nec tamen ego sum ille ferreus, qui fratris carissimi atque amantissimi praesentis maerore non movear horumque omnium lacrimis, a quibus me circumsessum videtis. Neque meam mentem non domum saepe revocat exanimata uxor et abiecta metu filia et parvolus filius, quem mihi videtur amplecti res publica tamquam obsidem consulatus mei, neque ille, qui exspectans huius exitum diei stat in conspectu meo gener. Moveor his rebus omnibus, sed in eam partem, uti salvi sint vobiscum omnes, etiam si me vis aliqua oppresserit, potius quam et illi et nos una rei publicae peste pereamus. | 2. Darum, versammelte Väter, tragt Sorge für euch selbst, bedenkt das Wohl des Vaterlandes, erhaltet euch, eure Gattinnen und eure Besitztümer! Verteidigt den Namen und das Heil des römischen Volkes, aber seht davon ab, mich zu schonen und euch um meine Person zu bekümmern. Denn fürs erste darf ich hoffen, dass alle Götter, die diese Stadt beschützen, mich nach meinem Verdienst belohnen werden. Sodann werde ich in dem Fall, dass es so sein müsste, mit ruhiger und gefasste Seele sterben. Denn nicht unrühmlich kann der Tod den tapferen Mann, nicht allzu früh den Konsular, nicht beklagenswert den Weisen treffen. Doch bin ich nicht so gefühlloses, dass die Besorgnisse eines so teuren und liebevollen Bruders, der hier zugegen ist, und die Tränen all derer, von denen ihr mich umgeben seht, mich nicht rühren sollten. Auch fühlt sich mein Gemüt oft durch häusliche Empfindungen angezogen in Gedanken an meine schwer beängstigte Gattin, an meine von Furcht niedergeschlagene Tochter, an meinen zarten Sohn, der als Geisel für mein Konsulat der Republik wert zu sein scheint; endlich an meinen Schwiegersohn, der, indem er den Ausgang dieses Tages erwartet, vor mir steht. All dies regt meine Gefühle an, aber in der Richtung, dass ich, wenn auch irgendeine Gewalt meinen Untergang herbeiführen sollte, doch lieber die Gesamtheit mit euch gerettet wünsche, als dass jene und wir zusammen durch das gemeinsame Verderben des Staates untergehen. | narratio - propositio | (4,4) Qua re, patres conscripti, incumbite ad salutem rei publicae, circumspicite omnis procellas, quae impendent, nisi providetis. Non Ti. Gracchus, quod iterum tribunus plebis fieri voluit, non C. Gracchus, quod agrarios concitare conatus est, non L. Saturninus, quod C. Memmium occidit, in discrimen aliquod atque in vestrae severitatis iudicium adducitur: tenentur ii, qui ad urbis incendium, ad vestram omnium caedem, ad Catilinam accipiendum Romae restiterunt, tenentur litterae, signa, manus, denique unius cuiusque confessio: sollicitantur Allobroges, servitia excitantur, Catilina arcessitur, id est initum consilium, ut interfectis omnibus nemo ne ad deplorandum quidem populi Romani nomen atque ad lamentandam tanti imperi calamitatem relinquatur. | Widmet also, versammelte Väter, euren ganzen Eifer der Rettung des Staates; richtet euren Blick auf alle Stürme, die uns ringsher bedrohen, wenn ihr nicht Vorsorge trefft! Nicht ein Tiberius Gracchus, der zum zweiten Mal Volkstribun werden wollte, nicht ein Gaius Gracchus, der ein Volk, das nach Landverteilung trachtete, aufzureizen versuchte, nicht ein Lucius Saturninus, der den Gaius Memmius erschlug, sind es, über deren Los entschieden und durch eure Strenge geurteilt werden soll: in unseren Händen und verhaftet sind Leute, die zur Brandstiftung in der Stadt, zu euer aller Ermordung, zur Aufnahme Catilinas in Rom zurückgeblieben sind. In unseren Händen befinden sich die Briefe, Siegel, Handschriften und das Geständnis eines jeden. Die Allobroger werden aufgewiegelt, die Sklaven zum Aufstand gereizt, Catilina wird herbeigerufen, ein solcher Plan ist entworfen, dass bei allgemeinem Blutvergießen niemand mehr übrig bleibe, nicht einmal, um den Namen der Republik zu beweinen und den Fall eines so großen Reiches zu betrauern. | (4,5) Haec omnia indices detulerunt, rei confessi sunt, vos multis iam iudiciis iudicavistis, primum quod mihi gratias egistis singularibus verbis et mea virtute atque diligentia perditorum hominum coniurationem patefactam esse decrevistis, deinde quod P. Lentulum se abdicare praetura coegistis; tum quod eum et ceteros, de quibus iudicastis, in custodiam dandos censuistis, maximeque quod meo nomine supplicationem decrevistis, qui honos togato habitus ante me est nemini; postremo hesterno die praemia legatis Allobrogum Titoque Volturcio dedistis amplissima. Quae sunt omnia eius modi, ut ii, qui in custodiam nominatim dati sunt, sine ulla dubitatione a vobis damnati esse videantur. | 3. Dies alles haben diejenigen, die die Anzeige gemacht haben, angegeben: die Schuldigen haben gestanden. Ihr habt in der Sache schon mehrmals eure Gesinnung ausgesprochen; einmal, indem ihr mir in besonderen Ausdrücken jene Danksagungen zuerkannt und erklärt habt, dass durch mein Verdienst und meine Tätigkeit die Verschwörung der schlechten Menschen entdeckt wurde; dann dadurch, dass ihr den Publius Lentulus genötigt habt, seine Prätur niederzulegen; ferner, indem ihr beschlossen habt, ihn und die anderen, über ihr abgestimmt habt, in Gewahrsam zu bringen; und am meisten, insofern ihr unter meinem Namen ein Dankfest angeordnet habt, eine Ehre, die vor mir niemandem im Friedenskleid widerfuhr. Endlich habt ihr am gestrigen Tag den Gesandten der Allobroger und dem Titus Volturcius sehr reichliche Belohnungen zuerkannt. All dies ist von der Art, dass diejenigen, die namentlich in Gewahrsam genommen wurden, unstreitig von euch verurteilt zu sein scheinen. | (4,6) Sed ego institui referre ad vos, patres conscripti, tamquam integrum, et de facto quid iudicetis, et de poena quid censeatis. Illa praedicam, quae sunt consulis. Ego magnum in re publica versari furorem et nova quaedam misceri et concitari mala iam pridem videbam, sed hanc tantam, tam exitiosam haberi coniurationem a civibus numquam putavi. Nunc quicquid est, quocumque vestrae mentes inclinant atque sententiae, statuendum vobis ante noctem est. Quantum facinus ad vos delatum sit, videtis. Huic si paucos putatis adfinis esse, vehementer erratis. Latius opinione disseminatum est hoc malum; manavit non solum per Italiam verum etiam transcendit Alpis et obscure serpens multas iam provincias occupavit. Id opprimi sustentando et prolatando nullo pacto potest; quacumque ratione placet, celeriter vobis vindicandum est. | Aber ich habe mir vorgenommen, euch, versammelte Väter, zu der Sache, als ob sie noch unentschieden wäre, vorzutragen, was ihr über den Sachverhalt zu urteilen und über die Strafe zu beschließen habt. Ich will nun vorausschicken, was den Konsul angeht. Schon seit geraumer Zeit sah ich wohl, dass große und ausschweifende Pläne in der Republik im Umlauf sind und neue unheilvolle Verwirrungen beabsichtigt und erregt werden; aber niemals glaubte ich, dass eine so umfassende und so verderbliche Verschwörung, wie diese, von Bürgern ausgelöst würde. Was es nun auch sein mag, wozu eure Gesinnung und Abstimmung sich hinneigt, so müsst ihr vor Einbruch der Nacht euren Beschluss fassen. Ihr seht, welch großes Verbrechen euch angezeigt wurde. Wenn ihr glaubt, dass nur wenige Mitschuldige darin verwickelt sind, so seid ihr gewaltig im Irrtum. Weiter, als man glaubt, hat dieses Übel um sich gegriffen: es hat sich nicht allein durch Italienverbreitet, sondern auch die Alpen überstiegen und insgeheim weiter schleichend sich schon vieler Provinzen bemächtigt. Durch Zurückhaltung und Aufschub kann es keineswegs unterdrückt werden. Auf welche Weise es euch gefallen mag, schnelle Abhilfe muss eintreten. | argumentatio 1. Strafmaß [7-13] - 2. Vollstreckung [14-22] | (4,7) Video duas adhuc esse sententias, unam D. Silani, qui censet eos, qui haec delere conati sunt, morte esse multandos, alteram C. Caesaris, qui mortis poenam removet, ceterorum suppliciorum omnis acerbitates amplectitur. Uterque et pro sua dignitate et pro rerum magnitudine in summa severitate versatur. Alter eos, qui nos omnis, qui populum Romanum vita privare conati sunt, qui delere imperium, qui populi Romani nomen exstinguere, punctum temporis frui vita et hoc communi spiritu non putat oportere atque hoc genus poenae saepe in improbos civis in hac re publica esse usurpatum recordatur. Alter intellegit mortem a dis immortalibus non esse supplicii causa constitutam, sed aut necessitatem naturae aut laborum ac miseriarum quietem. Itaque eam sapientes numquam inviti, fortes saepe etiam libenter oppetiverunt. Vincula vero et ea sempiterna certe ad singularem poenam nefarii sceleris inventa sunt. Municipiis dispertiri iubet. Habere videtur ista res iniquitatem, si imperare velis, difficultatem, si rogare. Decernatur tamen, si placet. | 4. Ihr seht, dass bis jetzt zwei Meinungen vorliegen. Die eine des Decimus Silanus, der dafür stimmt, dass diejenigen, die dies hier der Vernichtung preisgeben wollten, mit dem Tod bestraft werden müssen; die andere des Gaius Caesar, der die Todesstrafe verwirft, aber sonst alle bitteren Strafen zusammen vorschlägt. Beide tragen sich ihrer hohen Stellung und der Wichtigkeit der Sache gemäß mit der größten Strenge. Der eine glaubt, dass diejenigen, die sich vorgenommen haben, uns alle und das römische Volk des Lebens zu berauben, das Reich zu vernichten und den Namen des römischen Volkes zu tilgen, keinen Augenblick länger das Leben und diese gemeinsamen Luft genießen dürfen. Er erinnert daran, dass diese Art der Strafe in dieser Republik gegen ruchlose Bürger oft angewendet worden sei. Der andere glaubt, dass der Tod nicht der Strafe wegen von den unsterblichen Göttern eingerichtet sei, sondern entweder eine Naturnotwendigkeit oder die Ruhe von Mühsal und Elend sei. Daher sind ihm weise Männer niemals mit Widerwillen, tapfere Männer sogar oft mit Freude entgegengegangen. Gefängnisstrafe aber, und zwar eine lebenslängliche, ist gewiss zur besonderen Züchtigungen für ein ruchlos Verbrechen ausgedacht worden. Er verlangt, man solle sie in die Landstädte verteilen. Dies scheint, wenn man es befehlen will, eine Ungerechtigkeit mit sich zu führen, und Schwierigkeiten, wenn man es erbitten will. Doch mag man, wenn es so gefällig ist, es beschließen. | (4,8) Ego enim suscipiam et, ut spero, reperiam, qui id, quod salutis omnium causa statueritis, non putent esse suae dignitatis recusare. Adiungit gravem poenam municipiis, si quis eorum vincula ruperit; horribilis custodias circumdat et dignas scelere hominum perditorum; sancit, ne quis eorum poenam, quos condemnat, aut per senatum aut per populum levare possit; eripit etiam spem, quae sola hominem in miseriis consolari solet. Bona praeterea publicari iubet; vitam solam relinquit nefariis hominibus: quam si eripuisset, multas uno dolore animi atque corporis miserias et omnis scelerum poenas ademisset. Itaque ut aliqua in vita formido improbis esset proposita, apud inferos eius modi quaedam illi antiqui supplicia impiis constituta esse voluerunt, quod videlicet intellegebant his remotis non esse mortem ipsam pertimescendam. | Denn ich will mich der Sache unterziehen und hoffe, Leute zu finden, die es ihrer Würde angemessen finden, nicht zurückzuweisen, was ihr zum allgemeinen Besten beschließt. Er fügt noch eine schwere Strafe für die Bürger der Landstädte hinzu, wenn einer jene aus dem Gefängnis befreien sollte: er umstellt sie mit furchtbaren Wachen, die dem Frevel so verdorbener Menschen angemessen sind. Niemand soll die Strafe derer, die er verurteilt, weder durch den Senat noch durch das Volk mildern können; er nimmt ihnen auch die Hoffnung, die allein den Menschen im Unglück zu trösten pflegt. Ferner will er, dass ihr Vermögen eingezogen werde; das Leben allein will er diesen verruchten Menschen lassen. Hätte er ihnen dieses entrissen, so hätte er ihnen mit einer schmerzhaften Empfindung viele Schmerzen des Körpers und der Seele und alle Strafen ihrer Verbrechen genommen. Damit demnach den Ruchlosen doch irgend ein Schrecken im Leben vor Augen stünde, haben jene Alten die Meinung aufgestellt, dass einige Strafen der Art für die Frevler in der Unterwelt bestimmt seien, natürlich, weil sie einsahen, dass ohne diese der Tod allein nicht zu fürchten sei. | (4,9) Nunc, patres conscripti, ego mea video quid intersit. Si eritis secuti sententiam C. Caesaris, quoniam hanc is in re publica viam, quae popularis habetur, secutus est, fortasse minus erunt hoc auctore et cognitore huiusce sententiae mihi populares impetus pertimescendi; sin illam alteram, nescio an amplius mihi negotii contrahatur. Sed tamen meorum periculorum rationes utilitas rei publicae vincat. Habemus enim a Caesare, sicut ipsius dignitas et maiorum eius amplitudo postulabat, sententiam tamquam obsidem perpetuae in rem publicam voluntatis. Intellectum est, quid interesset inter levitatem contionatorum et animum vere popularem saluti populi consulentem. | 5. Nun, versammelte Väter, betrachte ich, was die Rücksicht auf meine Person erfordert. Wenn ihr der Meinung des Gaius Caesar folgt, weil dieser in Staatssachen den Weg, der für volksfreundlich gilt, eingeschlagen hat, so werde ich vielleicht, da er der Urheber und Verteidiger dieser Ansicht ist, die Angriffe des Volkes weniger zu fürchten haben. Folgt ihr aber jener anderen Meinung, so werde ich wohl vielleicht in größere Verlegenheit verwickelt werden. Jedoch soll das Wohl der Republik über die Rücksichten auf meine persönlichen Bedenklichkeiten das Übergewicht haben. Denn wir haben von Gaius Caesar, wie seine Würde und der Glanz seiner Ahnen es erforderte, eine Abstimmung, die uns seine beständigen Gesinnungen gegen den Staat gleichsam verbürgt. Man konnte den Unterschied erkennen zwischen dem haltungslosen Wesen der Volksredner und einer wahrhaft volksfreundlichen Gesinnung, die um das Wohl des Volkes besorgt ist. | (4,10) Video de istis, qui se popularis haberi volunt, abesse non neminem, ne de capite videlicet civium Romanorum sententiam ferat. Is et nudius tertius in custodiam civis Romanos dedit et supplicationem mihi decrevit et indices hesterno die maximis praemiis adfecit. Iam hoc nemini dubium est, qui reo custodiam, quaesitori gratulationem, indici praemium decrerit, quid de tota re et causa iudicarit. At vero C. Caesar intellegit legem Semproniam esse de civibus Romanis constitutam; qui autem rei publicae sit hostis, eum civem esse nullo modo posse: denique ipsum latorem Semproniae legis iussu populi poenas rei publicae dependisse. Idem ipsum Lentulum, largitorem et prodigum, non putat, cum de pernicie populi Romani, exitio huius urbis tam acerbe, tam crudeliter cogitarit, etiam appellari posse popularem. Itaque homo mitissimus atque lenissimus non dubitat P. Lentulum aeternis tenebris vinculisque mandare et sancit in posterum, ne quis huius supplicio levando se iactare et in pernicie populi Romani posthac popularis esse possit. Adiungit etiam publicationem bonorum, ut omnis animi cruciatus et corporis etiam egestas ac mendicitas consequatur. | Ich sehe, dass von jenen, die für Volksfreunde gelten wollen, gewisse Leute abwesend sind, natürlich, um über Leben und Tod römischer Bürger nicht abstimmen zu müssen. Diese haben nicht allein vorgestern römische Bürger ins Gefängnis werfen lassen, sondern auch mir ein Dankfest zuerkannt, und gestern den Verrätern sehr große Belohnungen zugesprochen. Nun kann also niemand zweifeln, was über die ganze Sache und Rechtsfrage das Urteil dessen sei, der den Beklagten Gefängnisstrafe, den Untersuchungsbeamten ein Glückwünschungsfest und dem Verräter eine Belohnung zuerkannt hat. Aber Gaius Caesar weiß wohl, dass das sempronische Gesetz für römische Bürger gegeben ist, dass jedoch derjenige, der ein Feind des Staates ist, keineswegs ein Bürger sein könne; endlich, dass der Urheber des sempronische Gesetzes selbst mit Zustimmung des Volks für seine Vergehen gegen den Staat gebüßt hat. Der selbe glaubt nicht, dass Lentulus selbst, der in Volksspenden freigebige und verschwenderische Mann, da er zum Verderben des römischen Volkes und zum Untergang dieser Stadt so arge und grausame Pläne entworfen habe, ein Volksfreund genannt werden könne. Daher trägt dieser so gelinde und mild denkende Mann keine Bedenken, den Publius Lentulus einem ewigen und finsteren Kerker zu übergeben, und bestimmt für die Zukunft, dass niemand durch Minderung der Strafe dieses Menschen sich erheben und zum Verderben des römischen Volkes in der Folge den Volksfreund spielen dürfe. Er fügt auch die Einziehung des Vermögens hinzu, damit sich zu allen körperlichen und geistigen Qualen auch noch bettelhafte Dürftigkeit geselle. | (4,11) Quam ob rem, sive hoc statueritis, dederitis mihi comitem ad contionem populo carum atque iucundum, sive Silani sententiam sequi malueritis, facile me atque vos crudelitatis vituperatione populus Romanus liberabit, atque obtinebo eam multo leniorem fuisse. Quamquam, patres conscripti, quae potest esse in tanti sceleris immanitate punienda crudelitas? Ego enim de meo sensu iudico. Nam ita mihi salva re publica vobiscum perfrui liceat, ut ego, quod in hac causa vehementior sum, non atrocitate animi moveor - quis enim est me mitior? - sed singulari quadam humanitate et misericordia. Videor enim mihi videre hanc urbem, lucem orbis terrarum atque arcem omnium gentium, subito uno incendio concidentem. Cerno animo sepulta in patria miseros atque insepultos acervos civium, versatur mihi ante oculos aspectus Cethegi et furor in vestra caede bacchantis. | 6. Ihr möget euch nun entweder für dies entscheiden, so werdet ihr mir zur Volksversammlung einen dem Volk werten und lieben Begleiter geben; oder wenn ihr es vorzieht, der Meinung des Silanus zu folgen, so werdet ihr mich und euch leicht gegen den Vorwurf der Grausamkeit verteidigen können, und ich werde zu beweisen im Stande sein, dass diese Meinung bei weitem die gelindere ist. Doch, versammelte Väter, welche Grausamkeit kann bei einem so ungeheuren Verbrechen strafwürdig sein? Ich urteile nämlich nach meinem Gefühl. Denn so wahr ich wünsche, mit euch das ungestörte Glück des Staates fortan zu genießen: es ist nicht Rohheit des Gemüts - denn wer könnte milder gesinnt sein als ich? - sondern ein hoher Grad von Menschlichkeit und Mitleid, das mich bestimmt, in dieser Sache kraftvoller aufzutreten. Denn es ist mir, als sähe ich, wie diese Stadt, die Sonne des Erdkreises und die Schutzwehr aller Völker, plötzlich durch einen Brand zusammensinke; ich sehe im Geist, wie auf dem Grab des Vaterlandes die bejammernswerten, unbegrabenen Scharen der Bürger liegen; vor meinem Auge schwebt das Bild des rasenden Cethegus, wie er über eure Niedermetzelung frohlockt. | (4,12) Cum vero mihi proposui regnantem Lentulum, sicut ipse se ex fatis sperasse confessus est, purpuratum esse huic Gabinium, cum exercitu venisse Catilinam, tum lamentationem matrum familias, tum fugam virginum atque puerorum ac vexationem virginum Vestalium perhorresco, et, quia mihi vehementer haec videntur misera atque miseranda, idcirco in eos, qui ea perficere voluerunt, me severum vehementemque praebebo. Etenim quaero, si quis pater familias, liberis suis a servo interfectis, uxore occisa, incensa domo, supplicium de servo non quam acerbissimum sumpserit, utrum is clemens ac misericors an inhumanissimus et crudelissimus esse videatur? Mihi vero importunus ac ferreus, qui non dolore et cruciatu nocentis suum dolorem cruciatumque lenierit. Sic nos in his hominibus, qui nos, qui coniuges, qui liberos nostros trucidare voluerunt, qui singulas unius cuiusque nostrum domos et hoc universum rei publicae domicilium delere conati sunt, qui id egerunt, ut gentem Allobrogum in vestigiis huius urbis atque in cinere deflagrati imperii conlocarent, si vehementissimi fuerimus, misericordes habebimur; sin remissiores esse voluerimus, summae nobis crudelitatis in patriae civiumque pernicie fama subeunda est. | Wenn ich mir aber den Lentulus im Besitz königlicher Herrschaft denke, wie er sie selbst nach Wahrsagungen zu erhoffen bekannt hat, wenn ich mir diesen Gabinius als königlichen Diener in Purpur und Catilina mit dem Heer einziehen dachte, da schaudere ich vor der Wehklage der Mütter, vor der Flucht der jungen Frauen und Jünglinge und vor der Misshandlung der vestalischen Jungfrauen. Und weil mir dies ein gewaltiges, höchst jammervolles Unglück scheint, darum zeige ich mich gegen Leute, die dies vollbringen wollten, streng und unnachgiebig. Denn ich frage, ob ein Hausvater, wenn seine Kinder von seinem Sklaven ermordet, seine Gattin getötet, sein Haus in Brand gesteckt wurde und er die allerhärtesten Strafen an den Sklaven von zöge, für gütig und mitleidig oder für sehr unmenschlich und grausam gelten würde. Ich halte den vielmehr für unerträglich und hartherzig, der nicht durch das Leiden und die Qual des Schuldigen seinen Leiden und Qualen Linderung verschafft. So werden wir für mitleidig gehalten werden, wenn wir mit Nachdruck gegen diejenigen handeln, die im Sinn hatten, uns, unsere Gattinnen, unsere Kinder hinzuschlachten, die versuchten, unser aller Wohnungen, eine nach der anderen, und diesen ganzen Sitz der Republik zu vernichten, die die Absicht hatten, dem Volk der Allobroger auf der Stelle dieser Stadt und auf der Asche des ausgebrannten Reichs seine Wohnung anzuweisen. Wollten wir hingegen nachsichtig handeln, so werden wir den Ruf der größten Grausamkeit bei dem Verderben des Vaterlandes und unserer Mitbürger auf uns laden. | (4,13) Nisi vero cuipiam L. Caesar, vir fortissimus et amantissimus rei publicae, crudelior nudius tertius visus est, cum sororis suae, feminae lectissimae, virum praesentem et audientem vita privandum esse dixit, cum iure avum suum iussu consulis interfectum filiumque eius impuberem legatum a patre missum in carcere necatum esse dixit. Quorum quod simile factum, quod initum delendae rei publicae consilium? Largitionis voluntas tum in re publica versata est et partium quaedam contentio. Atque illo tempore huius avus Lentuli, vir clarissimus, armatus Gracchum est persecutus. Ille etiam grave tum volnus accepit, ne quid de summa rei publicae minueretur; hic ad evertenda fundamenta rei publicae Gallos arcessit, servitia concitat, Catilinam vocat, attribuit nos trucidandos Cethego et ceteros civis interficiendos Gabinio, urbem inflammandam Cassio, totam Italiam vastandam diripiendamque Catilinae. Vereamini minus, censeo, ne in hoc scelere tam immani ac nefando aliquid severius statuisse videamini: multo magis est verendum, ne remissione poenae crudeles in patriam quam ne severitate animadversionis nimis vehementes in acerbissimos hostis fuisse videamur. | Es müsste denn jemand meinen, Lucius Caesar, ein so wackerer und eifriger Freund der Republik, habe vorgestern sich allzu grausam benommen, als er dafür stimmte, dass der Gemahl seiner Schwester, einer ausgezeichneten Frau, der zugegen war, und es mit anhörte, verdiene, das Leben zu verlieren, als er sagte, dass sein Großvater zu Recht auf Befehl des Konsuls getötet und dessen unmündiger Sohn, der vom Vater als Gesandter abgeordnet war, im Gefängnis hingerichtet worden sei. Und doch - wann hatten die etwas Ähnliches getan? wann einen Plan zur Vernichtung der Verfassung entworfen? Die Absicht, Volksspenden einzuführen, und eine Art Parteienrivalität war es, die damals im Staat vorherrschten. Zu jener Zeit nun verfolgte der Großvater dieses Lentulus, ein hochberühmter Mann, bewaffnet den Gracchus und empfing sogar damals eine schwere Wunde, damit der Gesamtbestand der Verfassung nicht geschmälert würde. Dieser holt, um die Grundlagen der Verfassung umzustürzen, die Gallier herbei, reizt die Sklaven zum Aufstand, ruft Catilina zu Hilfe, übergibt uns zum Hinschlachten dem Cethegus, die anderen Bürger zur Tötung dem Gabinius, die Stadt zur Brandstiftung dem Cassius, ganz Italien zu Verwüstung und Plünderung dem Catilina. Fürchtet weniger, meine ich, ihr möchtet bei einem so ungeheuren und greuelhaften Verbrechen den Eindruck erwecken, einen zu strengen Beschluss gefasst zu haben! Viel mehr ist zu befürchten, ihr möchtet durch Nachsicht in der Bestrafung den Eindruck erwecken, grausam gegen das Vaterland als durch Strenge der Bestrafung zu leidenschaftlich gegen die grimmigsten Feinde gewesen zu sein. | (4,14) Sed ea, quae exaudio, patres conscripti, dissimulare non possum. Iaciuntur enim voces, quae perveniunt ad auris meas eorum, qui vereri videntur, ut habeam satis praesidii ad ea, quae vos statueritis hodierno die transigenda. Omnia et provisa et parata et constituta sunt, patres conscripti, cum mea summa cura atque diligentia tum multo etiam maiore populi Romani ad summum imperium retinendum et ad communis fortunas conservandas voluntate. Omnes adsunt omnium ordinum homines, omnium denique aetatum; plenum est forum, plena templa circum forum, pleni omnes aditus huius templi ac loci. Causa est enim post urbem conditam haec inventa sola, in qua omnes sentirent unum atque idem praeter eos, qui, cum sibi viderent esse pereundum, cum omnibus potius quam soli perire voluerunt. | 7. Jedoch, versammelte Väter, kann ich nicht verschweigen, was ich sagen höre. Es geht nämlich ein Gerede, das zu meinen Ohren gedrungen ist, wonach einige zu befürchten scheinen, ich möchte nicht Streitkräfte genug haben, um das, was ihr am heutigen Tag beschließen werdet, zu vollziehen. Alles, versammelte Väter, ist vorbereitet und angeordnet, teils durch die größtmögliche Sorgfalt und Aufmerksamkeit von meiner Seite, teils durch die noch weit größere Entschlossenheit des römischen Volkes, seine Vormachtstellung zu behaupten und den er gemeinsamen Wohlstand zu erhalten. Leute von allen Ständen, ja von allen Altersstufen sind insgesamt zur Hand: besetzt ist das Forum, besetzt sind die Tempel um das Forum, besetzt alle Zugänge zu diesem Platz und Tempel. Denn seit Erbauung der Stadt ist dies der einzige Fall, wo sich zeigt, dass alle ein und dieselbe Gesinnung haben, außer denen, die, da sie sahen, dass Ihr Untergang unvermeidlich ist, lieber mit allen, als allein untergehen wollten. | (4,15) Hosce ego homines excipio et secerno libenter, neque in improborum civium, sed in acerbissimorum hostium numero habendos puto. Ceteri vero, di immortales! qua frequentia, quo studio, qua virtute ad communem salutem dignitatemque consentiunt! Quid ego hic equites Romanos commemorem, qui vobis ita summam ordinis consiliique concedunt ut vobiscum de amore rei publicae certent; quos ex multorum annorum dissensione huius ordinis ad societatem concordiamque revocatos hodiernus dies vobiscum atque haec causa coniungit. Quam si coniunctionem in consulatu confirmatam meo perpetuam in re publica tenuerimus, confirmo vobis nullum posthac malum civile ac domesticum ad ullam rei publicae partem esse venturum. Pari studio defendendae rei publicae convenisse video tribunos aerarios, fortissimos viros; scribas item universos, quos, cum casu hic dies ad aerarium frequentasset, video ab exspectatione sortis ad salutem communem esse conversos. | Diese Menschen nehme ich gern aus und sondere sie ab; denn ich glaube, dass sie nicht als schlechte Bürger, sondern als die hassenswürdigsten Feinde zu betrachten sind. Die anderen aber, ihr unsterblichen Götter, mit welch großer Anzahl, mit welchem Eifer, mit welchem Mut sind sie zur Behauptung der Würde und der Rettung des Staates vereinigt! Was soll ich hier von den römischen Rittern sagen, die euch den Vorrang des Standes und der Beratung nur in der Art zugestehen, dass sie mit euch in der Liebe zur Verfassung wetteifern; sie, die nach vieljährigen Streitigkeiten zum einträchtigen Bund mit diesem Stand zurückkehrten und der heutige Tag und diese Sache mit euch vereinigt; eine Verbindung, von der ich, wenn sie sich in meinem Konsulat befestigt, und ihr sie in der Republik unablässig behauptet, euch versichere, dass dann in der Folge keine bürgerliche oder innere Zerrüttung mehr in irgendeinem Teil der Staatsverwaltung vorkommen wird. Mit gleichem Eifer, den Staat zu verteidigen, sehe ich hier die Aerartribunen vereinigt, sehr wackerer Männer; ferner sämtliche Mitglieder des Schreiberstandes, die, da zufällig dieser Tag sie vor der Staatskasse zahlreich versammelt hat, wie ich sehe, von der Erwartung des Loses ihre Aufmerksamkeit dem öffentlichen Wohl zugewendet haben. | (4,16) Omnis ingenuorum adest multitudo, etiam tenuissimorum. Quis est enim, cui non haec templa, aspectus urbis, possessio libertatis, lux denique haec ipsa et commune patriae solum cum sit carum tum vero dulce atque iucundum? Operae pretium est, patres conscripti, libertinorum hominum studia cognoscere, qui, sua virtute fortunam huius civitatis consecuti, vere hanc suam patriam esse iudicant, quam quidam hic nati, et summo nati loco, non patriam suam, sed urbem hostium esse iudicaverunt. Sed quid ego hosce ordines atque homines commemoro, quos privatae fortunae, quos communis res publica, quos denique libertas ea, quae dulcissima est ad salutem patriae defendendam excitavit? Servus est nemo, qui modo tolerabili condicione sit servitutis, qui non audaciam civium perhorrescat, qui non haec stare cupiat, qui non, quantum audet et quantum potest, conferat ad salutem voluntatis. | Die gesamte Masse der Freigeborenen, selbst von den untersten Klassen, ist hier erschienen. Denn wen gibt es, dem nicht diese Tempel, der Anblick der Stadt, der Besitz der Freiheit, ja dieses Leben selbst und der gemeinsame Boden des Vaterlandes ebenso Gegenstand der Sorge als lieb und teuer wäre? 8. Es ist der Mühe wert, versammelte Väter, die eifrigen Gesinnungen der Leute vom Stand der Freigelassenen kennenzulernen, die durch ihr rühmliches Betragen das Glück des Bürgerrechts erlangt haben und nun dieses Vaterland in Wahrheit als das ihrige ansehen, das gewisse, von hier gebürtige Menschen von der angesehensten Herkunft nicht als ihr Vaterland, sondern als eine feindliche Stadt betrachtet haben. Aber was erwähne ich diese Menschen und Stände, die die Sorge für ihr Privatwohl, die der gemeinsame Staat, kurz die die über alles teure Freiheit ermuntert hat, das Wohl des Vaterlandes zu verteidigen? Gibt es doch keinen Sklaven, der sich auch nur in einem erträglichen Zustand der Dienstbarkeit befindet, der nicht die Frechheit jener Bürger verabscheute, nicht den Fortbestand dieser Verfassung wünschte und nicht mit so viel Eifer, als er Mut und Vermögen hat, zur gemeinsamen Rettung mitwirken würde! | (4,17) Qua re si quem vestrum forte commovet hoc quod auditum est, lenonem quendam Lentuli concursare circum tabernas, pretio sperare sollicitari posse animos egentium atque imperitorum, est id quidem coeptum atque temptatum, sed nulli sunt inventi tam aut fortuna miseri aut voluntate perditi, qui non illum ipsum sellae atque operis et quaestus cotidiani locum, qui non cubile ac lectulum suum, qui denique non cursum hunc otiosum vitae suae salvum esse velint. Multo vero maxima pars eorum, qui in tabernis sunt, immo vero - id enim potius est dicendum - genus hoc universum amantissimum est oti. Etenim omne instrumentum, omnis opera atque quaestus frequentia civium sustentatur, alitur otio; quorum si quaestus occlusis tabernis minui solet, quid tandem incensis futurum fuit? | Sollte daher einen unter euch die verbreitete Sage beunruhigen, dass ein gewisser Kuppler des Lentulus in den Verkaufsbuden umherlaufen in der Hoffnung, die armen und unverständiger Leute durch Geld aufreizen zu können, so ist dies zwar unternommen und versucht worden, aber es haben sich keine Leute von so unglücklichem Los oder so schlechter Gesinnung gefunden, die nicht eben diesen Ort ihres Wohnsitzes und täglicher Arbeit und Gewerbes, die nicht ihr Lager und Ruhebett, ja die nicht den ruhigen Gang ihres Lebens sich zu erhalten gewünscht hätten. Doch bei weitem der größte Teil derer, die sich in den Verkaufsbuden aufhalten, ja sogar (denn dies ist der eigentliche Ausdruck) diese ganze Schicht ist der Ruhe im höchsten Grad ergeben. Denn ihr ganzes Werkzeug, ihre ganze Arbeit, ihr ganzer Erwerb wird durch zahlreichen Zuspruch der Bürger erhalten und durch Ruhe gefördert. Wenn nun ihr Gewinn schon durch Schließung der Buden geschmälert zu werden pflegt, was wird aus ihnen werden, wenn diese in Brand gesteckt werden sollten? | (4,18) Quae cum ita sint, patres conscripti, vobis populi Romani praesidia non desunt: vos ne populo Romano deesse videamini providete! Habetis consulem ex plurimis periculis et insidiis atque ex media morte non ad vitam suam sed ad salutem vestram reservatum. Omnes ordines ad conservandam rem publicam mente, voluntate, voce consentiunt. Obsessa facibus et telis impiae coniurationis vobis supplex manus tendit patria communis, vobis se, vobis vitam omnium civium, vobis arcem et Capitolium, vobis aras Penatium, vobis illum ignem Vestae sempiternum, vobis omnium deorum templa atque delubra, vobis muros atque urbis tecta commendat. Praeterea de vestra vita, de coniugum vestrarum atque liberorum anima, de fortunis omnium, de sedibus, de focis vestris hodierno die vobis iudicandum est. | 9. Unter diesen Umständen, versammelte Väter, fehlt es euch nicht an Schutz für das römische Volke. Sorgt dafür, dass man nicht von euch denke, ihr ließet es an Tätigkeit für das römische Volk fehlen. Ihr habt einen Konsul, der aus so vielen Gefahren und Nachstellungen, ja vom nahen Tod - nicht zur Erhaltung des eigenen Lebens, sondern zu eurem Heil gerettet wurde. Alle Stände sind zur Erhaltung des Staates in Gesinnung, Entschluss, Eifer, Mut und Wort einig. Das von Brandfackeln und Waffen einer ruchloser Verschwörung umlagerte gemeinsame Vaterland streckt flehend nach euch die Hände aus: euch empfiehlt es sich, euch das Leben aller Bürger, euch die Burg und das Kapitol, euch die Altäre der Penaten, euch jenes ewige Feuer der Vesta, euch die Tempel und Heiligtümer aller Götter, euch die Mauern und Wohnungen der Stadt. Überdies müsst ihr über euer Leben, über das Dasein eurer Gattinnen und Kinder, über den Wohlstand aller, über eure Wohnungen und Herde am heutigen Tag einen Beschluss fassen. | (4,19) Habetis ducem memorem vestri, oblitum sui, quae non semper facultas datur; habetis omnis ordines, omnis homines, universum populum Romanum, id quod in civili causa hodierno die primum videmus, unum atque idem sentientem. Cogitate, quantis laboribus fundatum imperium, quanta virtute stabilitam libertatem, quanta deorum benignitate auctas exaggeratasque fortunas una nox paene delerit. Id ne umquam posthac non modo non confici, sed ne cogitari quidem possit a civibus, hodierno die providendum est. Atque haec, non ut vos, qui mihi studio paene praecurritis, excitarem, locutus sum, sed ut mea vox, quae debet esse in re publica princeps, officio functa consulari videretur. | Ihr habt einen Anführer, der im steten Gedanken an euch, sich selbst vergisst; eine Gelegenheit, die sich nicht immer darbietet; ihr habt für euch die einhellige Zustimmung aller Stände, aller Menschen, des gesamten römischen Volkes, eine Erfahrung, die wir am heutigen Tag zum ersten Mal in einer inneren Angelegenheit erleben. Bedenkt, wie nahe es daran war, dass eine Nacht ein durch so große Anstrengungen gegründetes Reich, eine durch so große Tapferkeit befestigte freie Verfassung, einen durch so große Gnade der Götter erhöhten und herangewachsenen Wohlstand vernichtet hätte! Dass so etwas in der Folge von Bürgern nicht mehr nicht allein vollbracht, sondern nicht einmal beabsichtigt wird, dafür muss am heutigen Tag Fürsorge getroffen werden. Und dies sage ich nicht, um euch, die ihr es mir an Eifer beinahe zuvortut, anzufeuern, sondern damit man sehe, dass meine Stimme, die in Sachen des Staates vorangehen muss, den Pflichten eines Konsuls Genüge geleistet hat. | (4,20) Nunc ante quam ad sententiam redeo, de me pauca dicam. Ego, quanta manus est coniuratorum, quam videtis esse permagnam, tantam me inimicorum multitudinem suscepisse video; sed eam turpem iudico et infirmam et abiectam. Quod si aliquando alicuius furore et scelere concitata manus ista plus valuerit quam vestra ac rei publicae dignitas, me tamen meorum factorum atque consiliorum numquam, patres conscripti, paenitebit. Etenim mors, quam illi fortasse minitantur, omnibus est parata: vitae tantam laudem, quanta vos me vestris decretis honestastis, nemo est adsecutus; ceteris enim semper bene gesta, mihi uni conservata re publica gratulationem decrevistis. | 10. Bevor ich nun auf den Gegenstand der Abstimmung zurückkomme, will ich einige Worte über meine Person sagen. Ich sehe wohl, dass ich mir eine ebenso große Zahl von Feinden auf den Hals geladen habe, wie die Schar der Verschworenen zahlreich ist, die, wie Ihr seht sehr groß ist; aber ich erkläre, dass jene Menge ein schändlicher, ohnmächtiger, verächtlicher und verworfene Haufen ist. Wenn irgend einmal jene Schar, durch irgendjemandes rasenden Frevel aufgereizt wird und mehr Macht als euer und des Staates Ansehen gewinnen sollte, so werde doch ich, versammelte Väter, meine Taten und Absichten mich nie reuen lassen. Denn der Tod, womit jene mich vielleicht bedrohen, steht allen bevor; aber einen solchen Ruhm im Leben, wie der ist, womit ihr durch eure Beschlüsse mich geehrt habt, hat kein anderer davongetragen. Denn immer habt ihr anderen wegen guter Leitung, mir allein wegen Rettung des Staates einen Glückwunsch zuerkannt. | (4,21) Sit Scipio clarus ille cuius consilio atque virtute Hannibal in Africam redire atque Italia decedere coactus est, ornetur alter eximia laude Africanus qui duas urbis huic imperio infestissimas Karthaginem Numantiamque delevit, habeatur vir egregius Paulus ille cuius currum rex potentissimus quondam et nobilissimus Perses honestavit, sit aeterna gloria Marius qui bis Italiam obsidione et metu servitutis liberavit, anteponatur omnibus Pompeius cuius res gestae atque virtutes isdem quibus solis cursus regionibus ac terminis continentur: erit profecto inter horum laudes aliquid loci nostrae gloriae, nisi forte maius est patefacere nobis provincias quo exire possimus quam curare ut etiam illi qui absunt habeant quo victores revertantur. | Mag jener Scipio berühmt sein, durch dessen Klugheit und Tapferkeit Hannibal gezwungen wurde, sich nach Afrika zurückzuziehen und aus Italien zu weichen, mag jener zweite Africanus mit ausgezeichnetem Lob verherrlicht sein, der die beiden diesem Reich feindseligsten Städte, Karthago und Numantia, vertilgte, mag jener Lucius Paulus als ein außerordentlicher Mann gelten, dessen Siegeswagen der einst so mächtige und angesehene König Perseus schmückte, mag Marius in ewigem Ruhm glänzen, der zweimal Italien von drohender Bestürmung und vom Schrecken der Sklaverei befreite, mag Pompeius allen vorgezogen werden, dessen Taten und tapfere Unternehmungen bis an die selben Grenzen und Bezirke, die den Lauf der Sonne einschließen, sich erstrecken: gewiss wird unter den Verdiensten dieser Männer auch meinem Ruhm eine Stelle gebühren; es müsste denn etwa eine größere Tat sein, uns den Weg in Provinzen zu bahnen, damit wir dorthin Feldzüge machen können, als dafür zu sorgen, dass auch die Abwesenden einen Ort finden, wohin sie als Sieger zurückkehren können. | (4,22) Quamquam est uno loco condicio melior externae victoriae quam domesticae, quod hostes alienigenae aut oppressi serviunt aut recepti beneficio se obligatos putant, qui autem ex numero civium dementia aliqua depravati hostes patriae semel esse coeperunt, eos, cum a pernicie rei publicae reppuleris, nec vi coercere nec beneficio placare possis. Qua re mihi cum perditis civibus aeternum bellum susceptum esse video. Id ego vestro bonorumque omnium auxilio memoriaque tantorum periculorum, quae non modo in hoc populo, qui servatus est, sed in omnium gentium sermonibus ac mentibus semper haerebit, a me atque a meis facile propulsari posse confido. Neque ulla profecto tanta vis reperietur, quae coniunctionem vestram equitumque Romanorum et tantam conspirationem bonorum omnium confringere et labefactare possit. | Freilich ist das Los des Sieges über auswärtige Feinde in einer Hinsicht besser als beim Sieg über innere Feinde, weil die fremden Feinde nach ihrer Überwältigung entweder in die Sklaverei geraten oder, wenn man sie begnadigte, sich für diese Wohltat zu Dank verpflichtet glauben. Diejenigen aber, die aus der Zahl der Bürger einmal angefangen haben, feindlich gegen das Vaterland zu handeln, kann man, wenn man ihre Absichten zum Umsturz des Staates vereitelt hat, weder durch Gewalt in Schranken halten, noch durch Wohltaten versöhnen. Daher sehe ich wohl, dass ich mit schlechten Bürgern einen ewigen Krieg zu führen habe; doch hoffe ich, dass ich durch eure und aller Gutgesinnten Hilfe, durch das Andenken an so große Gefahren, das nicht bloß bei diesem geretteten Volk, sondern auch im Reden und Denken aller Völker sich stets erhalten wird, mich und die Meinigen leicht dagegen schützen kann; und gewiss wird keine Gewalt emporkommen, die eure Verbindung mit den römischen Rittern , und einen solchen Eintracht aller Gutgesinnten zerreißen und erschütterten kann. | peroratio | (4,23) Quae cum ita sint, pro imperio, pro exercitu, pro provincia quam neglexi, pro triumpho ceterisque laudis insignibus, quae sunt a me propter urbis vestraeque salutis custodiam repudiata, pro clientelis hospitiisque provincialibus, quae tamen urbanis opibus non minore labore tueor quam comparo, pro his igitur omnibus rebus, pro meis in vos singularibus studiis proque hac quam perspicitis ad conservandam rem publicam diligentia nihil a vobis nisi huius temporis totiusque mei consulatus memoriam postulo: quae dum erit in vestris fixa mentibus, tutissimo me muro saeptum esse arbitrabor. Quod si meam spem vis improborum fefellerit atque superaverit, commendo vobis parvum meum filium, cui profecto satis erit praesidii non solum ad salutem, verum etiam ad dignitatem, si eius, qui haec omnia suo solius periculo conservarit, illum filium esse memineritis. | 11. Da dem so ist, versammelte Väter, so verlange ich statt einer Befehlshaberstelle, statt eines Heeres, statt einer Provinz, die ich verschmähte, statt eines Triumphs und anderer Auszeichnungen des Verdienstes, die ich, um die Stadt und eure Sicherheit zu wahren, zurückwies, statt der Schutzverbindungen und Gastverhältnisse in den Provinzen, die ich jedoch durch diese städtische Macht ebenso tätig behaupte, als erwerbe - für all dies, für meinen ausnehmenden Eifer um euer Wohl, für diesen gewissenhaften Fleiß in Erhaltung des Staates, wovon ihr Augenzeugen seid, verlange ich nichts anderes von euch als euer Andenken an diese Zeit und an mein ganzes Konsulat. Bleibt mir dieses in euren Herzen fest bewahrt, so werde ich mich mit der festesten Mauer umschanzt glauben. Wenn die Gewalt der Schlechtgesinnten meine Hoffnung täuschen und überwältigen sollte, so empfehle ich euch meinen kleinen Sohn, der gewiss nicht nur zu seiner Sicherung, sondern auch zu seiner Erhebung Mittel genug darin finden wird, wenn ihr nicht vergesst, dass er der Sohn des Mannes ist, der dies alles allein durch seine persönliche Gefahr gerettet hat. | (4,24) Quapropter de summa salute vestra populique Romani, de vestris coniugibus ac liberis, de aris ac focis, de fanis atque templis, de totius urbis tectis ac sedibus, de imperio ac libertate, de salute Italiae, de universa re publica decernite diligenter, ut instituistis, ac fortiter. Habetis eum consulem, qui et parere vestris decretis non dubitet et ea, quae statueritis, quoad vivet, defendere et per se ipsum praestare possit. | Möget ihr daher, versammelte Väter, über euer und des römischen Volkes Wohl, über eure Gattinnen und Kinder, über Altäre und Herde, über Heiligtümer und Tempel, über Wohnungen und Sitze der ganzen Stadt, über das Reich, die Freiheit, das Wohl Italiens, ja über das Ganze des Staates einen, wie ihr begonnen habt, gewissenhaften und männlichen Beschluss fassen! Ihr habt einen Konsul, der sowohl nicht zögern wird, euren Beschlüssen Folge zu leisten, und das, was ihr anordnet, solange er lebt, zu verteidigen, als auch im Stande ist, durch sich selbst zu gewährleisten. | |