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Nach «Endgame» drohte die weltweite Marvel-Gemeinde in eine Depression zu fallen. Der neue Film «Spider-Man: Far From Home» rundet nun die «Infinity Saga» ab. Produzent Kevin Feige sagt, wie es im Marvel-Universum weitergehen könnte.
Mariam Schaghaghi
5 min
NZZ am Sonntag: Der neue Film «Spider-Man: Far From Home» bietet keinen Neuanfang der Marvel-Filme. Warum?
Kevin Feige: Wir sehen diesen Film als Finale der dritten Phase des Marvel-Universums. Er schliesst nahtlos an die Geschehnisse von «Avengers: Endgame» an und beendet die insgesamt 23 Filme, die wir intern «Infinity Saga» nennen. Der Film zeigt, wie Peter Parker und der Rest der Welt mit den Erlebnissen aus «Endgame» umgehen.
23 Filme: Wie orientieren Sie sich da?
Wir haben bei Marvel an den Wänden viele Listen und Tabellen und können alles präzise nachverfolgen.
«Spider-Man» kam erst spät dazu?
Ja, als wir vor fünf Jahren Phase 3 ankündigten, war er noch nicht eingeplant. Wir hatten zu dem Zeitpunkt noch nicht die für Hollywood-Verhältnisse geradezu historische Vereinbarung über die Filmrechte an «Spider-Man» abgeschlossen.
Nach dieser Rechte-Vereinbarung mit Sony hat Disney auch Twentieth Century Fox aufgekauft. Was bedeutet das?
Disney hat Fox aus vielen Gründen gekauft. Da hatte ich kein Mitspracherecht. Ich freue mich aber sehr, dass wir diese Figuren zurückbekommen haben. Was wir damit machen, müssen wir noch sehen.
Wie sieht die Zusammenarbeit mit dem Filmstudio Disney aus?
Marvel-Filme zu produzieren, ist unglaublich teuer. Also müssen wir uns anstrengen, das viele Geld auch wieder einzuspielen. Mein Job ist es, mir tolle Ideen für neue Filme einfallen zu lassen.
Herr der Helden
Kevin Feige, Marvel-Präsident
Rettet er Hollywood oder trägt er zu dessen Untergang bei? Mit seinen Marvel-Comic-Verfilmungen ist Kevin Feige derzeit der König von Hollywood. Fünf der zehn ertragreichsten Filme stammen aus dem Hause Marvel. «Avengers: Endgame» (2,765Mrd.$) steht sogar davor, «Avatar» (2,788Mrd.$) als erfolgreichsten Film aller Zeiten abzulösen. Gemessen am Einspielergebnis seiner Filme ist Kevin Feige der erfolgreichste Filmproduzent der Welt. Geboren wurde der 46-jährige Vater einer Tochter 1973 in Boston. Zum Film kam er über ein Praktikum während seines Studiums an der University of Southern California. Ab 2000 arbeitete er als Produzent für die Marvel Studios, 2007 wurde er Produktionschef und entwickelte das Marvel Cinematic Universe, das mit Einspieleinnahmen von über 17,5Milliarden Dollar zur bisher erfolgreichsten Filmreihe wurde.
Ihre ersten Filme als Produzent bei Marvel waren «Daredevil» und «Electra». Sie waren bei weitem nicht so erfolgreich wie die neueren Filme. Woran lang das?
In meinen ersten sechs oder sieben Jahren als Filmproduzent habe ich sehr viel gelernt. Ich hatte damals noch nicht so viel Einfluss, auch nicht bei den ersten drei «X-Men»- und «Spider-Man»-Filmen. Einige dieser Filme waren wirklich gut und haben viel Geld eingespielt. Durch diese Erfolge konnten wir überhaupt erst ein eigenständiges Filmstudio gründen und mit «Iron Man» unseren ersten Film drehen. Das war der Anfang des Marvel-Universums.
Wieso verhindern Sie Bilder von den Drehs zu neuen Marvel-Filmen?
Wir drehen meistens in gut gesicherten Filmstudios. Und wir haben schon früh gelernt, dass ausserhalb dieser kontrollierten Situationen Menschen alles versuchen, um Fotos vom Set zu machen. Das müssen wir kontrollieren.
Warum? Schauspieler tragen sogar schwarze Umhänge, damit die Kostüme nicht vorab gesehen werden.
Einmal wurde ein Star in seinem Kostüm nach Drehschluss fotografiert, als er mit einem Saft in der Hand zu seinem Wohnwagen ging. Seither ziehen unsere Stars jedes Mal einen schwarzen Umhang über, wenn sie im Kostüm das Set verlassen. Wir geben uns zu viel Mühe mit den Kostümen, um die Kontrolle über das Bildmaterial anderen zu überlassen.
Als wir vor elf Jahren mit Jon Favreau, dem Regisseur des ersten «Iron Man»-Films, sprachen, hielt er sich über die Zukunft von Marvel bedeckt. Er sprach von zwei, drei Filmen. War Ihnen damals klar, was auf Sie zukommt?
«Iron Man» war damals das wichtigste Projekt für mich. Wir wussten, wie einzigartig dieser Film und die Arbeit des Hauptdarstellers Robert Downey Jr. waren. Und ich habe mir vorgestellt, wie eine Welt aussehen könnte, in der wir die verschiedenen Marvel-Figuren zusammenführten. Damals habe ich zum ersten Mal über einen «Avengers»-Film nachgedacht. Deshalb haben wir die Szene mit Samuel L.Jackson gedreht, in der er sagt, dass es in diesem Universum noch mehr Superhelden gibt. Wir haben immer von diesen grossen Filmen geträumt. Aber dass ich eines Tages hier sitzen und mit Ihnen über unseren 23.Film sprechen würde, hätte ich nie erwartet.
Wodurch wurde das möglich?
Als Erstes kommt mir die Besetzung von Robert Downey Jr. als «Iron Man» in den Sinn. Anfangs hielten wir es für unmöglich, ihn für die Rolle zu gewinnen, aber er hat uns sehr unterstützt und sogar Probeaufnahmen gemacht. Das ist bei einem Schauspieler von seinem Kaliber völlig unüblich.
Robert Downey Jr. hat um die Rolle gekämpft?
Unbedingt. Ein anderes Beispiel ist die Einigung über die Filmrechte von «Spider-Man». Nachdem wir den Deal abgeschlossen hatten, musste ich den perfekten Peter Parker finden. Zum Glück hat uns der Himmel Tom Holland beschert.
Bekommen Sie jeden Schauspieler? Keanu Reeves will anscheinend nicht.
Nein, so ist das nicht. Manchmal passt das Timing einfach nicht, oder die Rolle sitzt nicht so richtig. Trotzdem haben wir mit sehr guten Schauspielern zusammenarbeiten können und hoffen, dass diese Erfolgsgeschichte weitergeht.
«Bei der Streamingplattform Disney+ sind auch ein paar Serien in Planung. Serien und Filme sind jetzt noch stärker verknüpft.»
Welche Figuren erhalten eigene Spin-offs?
Am Anfang lag uns viel daran, die Avengers einzeln vorzustellen. In letzter Zeit entscheiden wir eher danach, was für eine Art von Filmen wir machen wollen. Ich persönlich liebe Filme, die im Weltraum spielen. Deshalb haben wir uns für «Guardians of the Galaxy» entschieden. Ich mag die übernatürlichen Elemente in «Doctor Strange». Die Kultur von Wakanda aus «Black Panther» wollten wir schon lange erforschen.
Wie gehen Sie mit dem Erfolgsdruck um?
Am Anfang waren die Erwartungen an «Iron Man» oder «Thor» nicht sehr gross. Erst seit dem Erfolg der «Avengers» liegt die Messlatte für Filme mit diesen Figuren so hoch. Wir starten jetzt in eine neue Phase mit ein paar neuen Figuren, von denen hoffentlich viele das Publikum positiv überraschen.
Im neuen Marvel-Projekt «Eternals» soll es sogar homosexuelle Superhelden geben.
Gerüchte kommentieren wir nicht. Unser Job ist es, interessante neue Figuren zu entwickeln. Bei der Streamingplattform Disney+ sind auch Serien in Planung. Diejenigen um «Falcon» und «Loki» basieren auf den Ereignissen nach «Endgame». Serien und Filme sind jetzt noch stärker miteinander verknüpft.
«Avengers: Endgame» steht kurz davor, der erfolgreichste Film aller Zeiten zu werden.
Ich hätte niemals gedacht, dass wir auch nur in die Nähe von «Avatar» kommen. In den vergangen zehn Jahren haben den erfolgreichsten Filmen immer noch gut 700 Millionen Dollar gefehlt, um an «Avatar» anschliessen zu können. Dieser immense Abstand schien immer unerreichbar. Auch «Infinity War» ist mit insgesamt zwei Milliarden Dollar Einspielergebnis deutlich hinter «Avatar» zurückgeblieben. Ich habe einfach nur gehofft, dass «Endgame» finanziell in diesen Zwei-Milliarden-Bereich kommt.
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